WAS HAT ES MIT TRANSGENERATIVEN TRAUMA AUF SICH? GIBT ES DAS WIRKLICH? BETRIFFT DICH DAS? UND WAS KANNST DU TUN?
Hier kannst du dir den Blogartikel auch als pdf-Datei herunterladen: Transgenerative Traumata
Ja, transgenerative Traumata gibt es. Das sehe ich fast täglich in meiner Arbeit. Ich benötige dafür keinen wissenschaftlichen Beweis. Leider wird aber darüber immer noch zu wenig in der Öffentlichkeit gesprochen. Und nun hat sich aber die Wissenschaftsredaktion des ZDF diesem Thema in einer Terra X-Dokumentation gewidmet und diese zeigt an einer Familie und in einer Fußgängerzone einer deutschen Stadt beispielhaft auf: Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Und es wird weitergegeben, egal ob wir davon Kenntnis haben oder nicht. Es kann dein Leben einschränken, mehr als du denkst.
Am Beispiel einer jüdischen Frau aus Ungarn, die als 12-jährige in ein Konzentrationslager kam, dort überlebte, ihre Eltern und Geschwister aber starben, wird gezeigt, wie ihre eigenen Erlebnisse auch ihre Tochter belastet haben und wie dies auch an ihren Enkelsohn weitergegeben wurde, ohne dass Tochter und Enkel zunächst von ihren Erlebnissen wussten.
Hier verlinke ich dir den Beitrag des ZDF. Das Video ist bis 2033 in der Mediathek des ZDF zu sehen:
https://www.zdf.de/dokumentation/terra-xplore/ein-trauma-erben--geht-das-100.html
WAS HAT DAS MIT DIR PERSÖNLICH ZU TUN?
Deine eigene Kindheit war vielleicht nicht ganz so leicht, wie du es dir gerne gewünscht hättest. Und nicht alles davon hat mit transgenerationalem Trauma zu tun. Aber ein Teil davon. Und deine Eltern tragen auch bereits ein Päckchen ihrer Eltern und ihrer Großeltern...naja, vermutlich sogar mehrere, nicht selten eines das größer ist als deins. Und das Interessante an transgenerationalem Trauma ist, dass es dich betreffen kann. Dafür musst du deine Vorfahren noch nicht einmal kennen. Und du musst auch gar nicht darüber Bescheid wissen, weil sie vielleicht noch nie darüber gesprochen haben. Und trotzdem kann es sein, dass du ihre Erlebnisse und Erfahrungen in dir trägst.
Muß sich nun deshalb jeder damit beschäftigen? Nein, müssen tut man nicht.
ABER: WELCHEN PREIS BEZAHLST DU, WENN DU DIR DEINE EIGENE FAMILIENGESCHICHTE NICHT ANSCHAUST?
Diese Frage lässt sich aus meiner Arbeit sehr eindeutig beantworten. Und auch im Film ist das sehr schön beleuchtet durch die ungarische Familie: Du gibst dein eigenes traumatisches Erleben, die nicht verarbeiten Themen deiner Eltern und Großeltern, also deine Themen an deine eigenen Kinder weiter (wenn du eigene Kinder hast) und gibst ihnen ein Päckchen mit, dass sie dann durchs Leben tragen, obwohl es nicht ihre Erinnerung und nicht ihr Erleben ist. UND: Auch du selbst hast nicht die Kraft und im übertragenen Sinn auch nicht die Hände frei für dein eigenes Leben, deine Lebensfreude, dein ganzes Glück, wenn du die alten Pakete mit dir herumträgst.
Nun denkst du vielleicht, naja, meine Großeltern waren vom Krieg nicht so sehr betroffen. Die waren vielleicht nicht im Konzentrationslager, wie bei der Familie um die es in dem Terra X - Beitrag geht. Bei uns war es nicht so schlimm!
Meine Erfahrung aus vielen Coachings und noch mehr Aufstellungen zeigt ein anderes Bild. Krieg und Trauma haben viele Gesichter. Und es gibt so gut wie keine deutsche Familie, die nicht in den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts Schmerzhaftes, Tragisches, Trauriges, ja Traumatisches erlebt hat. Und auch meine Arbeit mit Klienten aus anderen Ländern zeigt ein ähnliches Bild. Der 2. Weltkrieg hat ganz Europa überzogen. Das Erleben in den verschiedenen europäischen Ländern mag durchaus unterschiedlich gewesen sein, aber überall hinterließen diese Jahre Trauma, mal mehr, mal weniger, mal sichtbarer, mal versteckter, mal vergessen, mal plötzlich erinnert, aber immer da…..über die Generationen hinweg und unbewusst weitergegeben.
ICH GEBE EUCH EIN PAAR BEISPIELE AUS MEINER EIGENEN FAMILIE!
Ich persönlich komme aus einer auf den ersten Blick „ganz normalen“ deutschen Familie. Meine Eltern sind beide in der DDR geboren, also auf deutschem Gebiet nach 1945, und sind an verschiedenen Stellen in der ehemaligen DDR aufgewachsen, haben sich in Leipzig kennengelernt, geheiratet und ich bin hier in Leipzig als erstes Kind meiner Eltern zur Welt gekommen.
UND AUCH DAS IST MEINE FAMILIE:
- Mein Großvater ist in Ostpreußen, im heutigen Polen, geboren. Sein Vater war vermutlich ein polnischer Offiziersanwärter, Name unbekannt.
- Meine Ur-Großmutter wuchs ebenfalls in Ostpreußen auf.
- Mein Ur-Großvater war das 5. Kind von Fünf. Er kämpfte als junger Mann im 1. Weltkrieg und kam schwer verwundet zurück. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts, während des 2. Weltkrieges und in der Zeit kurz danach starben bis auf einen Bruder alle seine Geschwister, sowie seine Eltern und weitere Verwandte. Er war eine der frühesten Mitglieder der NSDAP und Ortsvorsteher der NSDAP in seinem Wohnort. Durch sein Zutun wurde der Pfarrer der Gemeinde nach Dachau gebracht und dort ermordet. Dafür – und für mehrere andere Vergehen – musste er sich vor Gericht nach dem 2. Weltkrieg verantworten und wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt, die er in verschiedenen Haftanstalten in Sachsen und Brandenburg absaß.
- Mein Großvater war in der SS (Schutzstaffel der Nationalsozialisten).
- Mein Großvater verlor im 2. Weltkrieg alle seine Kameraden durch einen Hinterhalt.
- Auch mein anderer Ur-Großvater war im 1. Weltkrieg. Er war einer der ersten Mitglieder der SA (Sturmabteilung der NSDAP). Auch er musste sich für seine Taten nach dem Krieg vor Gericht verantworten, wurde aber freigesprochen.
- Meine Großmutter war im Bund Deutscher Mädels (BDM).
- Nach dem Krieg waren die Überlebenden des Krieges meiner Familie zum Teil in alle Winde zerstreut. Mein Großvater lebte in der DDR, sein Bruder in Kanada, der andere Bruder in Westberlin. Meine Großmutter lebte in der DDR, ihre Schwester in Schweden, der Bruder in der Bundesrepublik Deutschland.
- Die Familie verlor durch die Irrungen und Wirrungen des 2. Weltkrieges und den Folgen (u. a. die Teilung Deutschlands) Hab und Gut, Familienmitglieder, den Zusammenhalt und zum Teil das Verständnis füreinander.
DAS IST EINE TYPISCHE DEUTSCHE FAMILIE! (Wenn man das Wort „typisch“ überhaupt verwenden möchte.)
WELCHE AUSWIRKUNGEN KANN DAS HABEN? WORAN KANNST DU ERKENNEN, DASS DU MIT DEINEN AHNEN VERBUNDEN BIST?
Welche Auswirkungen das haben kann, möchte ich dir an einigen persönlichen Beispielen zeigen und an ein paar sehr typischen Beispielen aus meiner Praxis.
Meine eigenen Beispiele:
POLEN FÜHLT SICH WIE HEIMAT AN: Als Kind, als ich noch nicht wusste, dass meine Vorfahren aus dem heutigen Polen stammten, fuhr ich mehrere Male in den Urlaub nach Polen. Und immer, wenn ich in Polen war, habe ich mich wie zuhause gefühlt. Es war einfach als Gefühl da, ohne dass ich wusste, dass die Großeltern beide dort geboren wurden. Ich habe wirklich viel von der Welt gesehen, war in vielen Ländern und viel auf Reisen unterwegs seit meiner Kindheit. Aber dieses Gefühl des „zuhause seins“ empfand ich nirgendwo wieder.
DACHAU: Ich habe mal eine Zeitlang in München gelebt und dort gearbeitet. Und damals gab es in mir ein inneres Wissen, ich muss nach Dachau, in die Besuchsstätte des Konzentrationslagers, welches in der Nähe von München liegt. Und gleichzeitig gab es in mir eine Instanz, die mich davon abhielt. Es war seltsam. Ich konnte mir damals aber keinen so rechten Reim darauf machen. Erst viele Jahre später erfuhr ich durch die Unterlagen aus dem Bundesarchiv, dass mein Ur-Großvater den Pfarrer seiner Heimatstadt ins KZ Dachau brachte. Mittlerweile habe ich zwei andere Konzentrationslager besucht, die Besuchsstätten in Auschwitz (PL) und in Ravensbrück (D). Es waren in beiden Fällen so ziemlich meine schlimmsten Nächte nach den Besuchen dort vor Ort. Aber es ist auch dort etwas geheilt in mir und es trat Ruhe in mir ein.
VERLUST VON HAB UND GUT: Als ich in meine Selbstständigkeit startete, gab es eine Zeit in der eigentlich schon soweit alles gut lief. Das Problem war nur irgendwie das Geld, kaum war etwas auf dem Konto, war es auch schon wieder weg. Irgendeine Rechnung flatterte garantiert ins Haus. Das war der Zeitpunkt in dem ich mir die Geschichte meines Ur-Großvaters anschaute, der durch 2 Weltkriege, eine russische Besatzungsmacht und einem DDR-Staat letztendlich all das Vermögen, sowie Land und Immobilien der Familie verlor. Wenn es in einer Familie so ein Schicksal gibt, dann VERLIEREN wir manchmal - unbewusst - in Liebe zu unseren Ahnen auch unser Geld… Wir wiederholen unbewusst das Trauma. Denn dies war ein wirklich sehr großer Verlust der Familie, der bis heute in die Familie hineinwirkt. In diesem Fall habe ich mit einer Aufstellung gearbeitet und das Thema für mich gelöst. Danach wurde es definitiv mit dem Geld besser.
SCHMERZ ÜBER DEN VERLUST DER KAMERADEN: Immer, wenn ich in die Österreichischen Alpen fuhr, bekam ich undefinierte Panikattacken sobald ich nach oben auf den Berg fuhr. Es war wirklich lebenseinschränkend und alles andere als schön. Irgendwann erkannte ich durch Genogrammarbeit den Zusammenhang zwischen dem Tod meines Großvaters in Österreich und dem Tod seiner Kameraden im Krieg und den Verlust seines besten Freundes, der gebürtig aus den österreichischen Bergen stammte. Hier habe ich zusätzlich eine Aufstellung gemacht und danach wurde es wesentlich besser. Heute kann ich sehr entspannt in die Berge fahren und die Aussicht von oben wirklich genießen.
Beispiele aus meiner Praxis:
SCHULD UND SCHULDEN: Eine Klientin hatte über viele Jahre einen Haufen Schulden „angesammelt“ und obwohl ihr Unternehmen recht gut lief, wurden ihre Schulden einfach nicht weniger. Kaum konnte sie einen Schuldenhaufen abbezahlen, kam garantiert ein anderer hinzu. In ihrer Ahnenreihe entdeckten wir einen Großvater, der als Soldat der Deutschen Wehrmacht an einem Massaker an der jüdischen Bevölkerung in Osteuropa beteiligt war und sich an dem Tod von vielen Tausend Menschen SCHULDIG gemacht hatte. Die Enkelin trug diese Schuld unbewusst mit und lud aus diesem Grund immer wieder SCHULDEN auf sich. Erst als wir diesen Zusammenhang aufdeckten, konnte sie – langsam, aber stetig – ihren Schuldenberg abtragen.
KINDERLOSIGKEIT: Eine Klientin hatte 3 Schwangerschaften erlebt, von denen kein Kind überlebte. Sie blieb kinderlos. In der Genogrammarbeit zeigte sich, dass ihr Großvater Teil des Euthanasieprogrammes in Österreich war und den Tod vieler Kinder zu verantworten hatte. In Liebe zu ihrem Großvater wiederholte sie – unbewusst – das Schicksal der Mütter, die durch den Großvater ihre Kinder verloren hatten. Die Klientin blieb kinderlos, aber sie arbeitet heute in einem heilerischen Beruf und hilft vielen anderen Frauen auf natürlichem Wege schwanger zu werden und Kinder zu bekommen.
PANIK IM ZUG: Eine Klientin kam zu mir, weil ihre Tochter häufig in Zügen plötzliche Panikattacken bekam. Aus ihrem eigenen Erleben gab es keinen Grund dafür. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sie oder ihre Tochter jemals ein schlechtes Erlebnis in einem Zug hatten. Woher kam das also, war die Frage. In einer Genogrammaufstellung zeigte sich, dass die Großmutter der Klientin nach dem Krieg aus Schlesien mit ihrer Familie vertrieben wurde und in überfüllten Zügen über einen langen Zeitraum nach Deutschland fahren musste. In diesen Zügen kam es immer wieder zu Vergewaltigungen von Frauen und die Schwester der Großmutter, die mit im Zug unterwegs war, traf es auch. Sie hatte sich vor ihre jüngere Schwester (die Großmutter der Klientin) gestellt und hatte somit zumindest verhindern können, dass es die kleine Schwester auch traf. Als die Klientin in der Aufstellung das Schicksal der Großmutter sowie den „Einsatz“ der älteren Schwester der Großmutter würdigte und auch der Mann, der sich schuldig gemacht hatte, in die Aufstellung mit hineinkam und sein Schicksal bei ihm bleiben durfte, kam Ruhe in die Aufstellung. Die nächste Zugfahrt mit der Familie verlief ohne Panikattacke und war sehr entspannt.
WAS KANNST DU TUN?
Hinschauen und darüber reden, wenn die Familienmitglieder das wollen und können, hilft hier sehr.
Aber das alleine hat bei mir nicht ausgereicht...und es waren jetzt auch nicht alle Familienmitglieder sehr gesprächig, wenn das Thema auf den Tisch kam. Ich habe Genogrammarbeit gemacht, alte Unterlagen und Dokumente gewälzt, Ahnenpässe in altdeutscher Schrift entziffert, vergilbte Fotografien angesehen und im Bundesarchiv der Bundesrepublik zu den Großvätern und Ur-Großvätern recherchieren lassen, Gerichtsprotokolle gelesen, Rückübereignungsansprüche der Familie studiert und Urteile und Vergleiche gesehen, Firmen- und Anteilspapiere zu Gebieten in Osteuropa (Ukraine, Rumänien, Polen) in der Hand gehabt und immer und immer wieder Aufstellungen zu den verschiedenen Themen gemacht, die auftauchten. Wie viele es waren, weiß ich heute nicht mehr. Es waren aber wirklich viele!
Heute weiß ich sicherlich immer noch nicht alles über meine große Familie. Aber ich weiß wirklich viel. Und ich habe viel davon verarbeitet. Und es wurde dadurch leichter in meinem Leben, viel leichter, und auch reicher und erfüllter. Und meine Kinder können heute entspannter durchs Leben gehen.
In meiner Arbeit mache ich bei diesen Ahnenthemen viel Genogrammarbeit (Erstellung des Genogramms und Aufstellungen mithilfe des Genogramms) und klassische Aufstellungsarbeit. In einer Aufstellung kann das Schicksal der Ahnen sichtbar gemacht werden und gewürdigt werden und dann kann das Belastende gehen. Das erlebe ich fast täglich in meiner Arbeit und es bereichert mich immer wieder aufs Neue.
JEDER HAT SEIN PÄCKCHEN ZU TRAGEN!
Und, du musst auch nicht 20 oder 30 Jahre darauf warten, wie im Film an einer Stelle in Aussicht gestellt. Sondern – und auch das wird im Film erwähnt - Familienstellen und Ahnenforschung und Genogrammerstellung können wirklich gute Lösungswege sein.
Sprich mit deinen Kindern. Sprich mit deinen Eltern, wenn das geht. Sprich mit Freunden, die dafür offen sind, darüber. Beschäftige dich mit deinen Ahnen. Erstelle dein Genogramm!
DENN, wie in der Dokumentation so schön gesagt: Sich öffnen, sich den Themen stellen, wirklich hinschauen und darüber zu sprechen, stärkt Beziehungen, übrigens alle deine Beziehungen. Und auch das wird schön im Beitrag erwähnt: Es stärkt sogar dein Immunsystem, denn die alten Belastungen schwächen das Immunsystem solange es nicht geklärt, sichtbar, verarbeitet und losgelassen wurde.
Alles Liebe, Susanne
Willst du selbst den transgenerativen Traumata in deiner Familie auf die Spur kommen, dann empfehle ich dir mein Do-It-Yourself-Workbook "Erkenne die Kraft deiner Ahnen!"
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