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VOM GLÜCK ODER UNGLÜCK - EINE FABEL AUS TIBET

VOM GLÜCK ODER UNGLÜCK - EINE FABEL AUS TIBET

Es war einmal ein Bauer, der in Tibet lebte und nur ein einziges Pferd besaß. Eines Tages lief dieses Pferd, von irgendetwas erschreckt, auf und davon und ward nicht mehr gesehen. „Oje, du Armer“, sagten die Nachbarn, „wo du doch nur dieses eine Pferd hattest. Was für ein Unglück.“ „Ob es ein Unglück ist“, antwortete der Bauer, „oder ein Glück, man weiß es nicht, man weiß es nicht.“

Kurz darauf kam das Pferd zurück und sieben Wildpferde folgten ihm auf seine Koppel und blieben dort. „Das ist ja nicht zu fassen“, sagten die Nachbarn nicht ganz ohne Neid. „Erst warst du so arm, hattest nicht mal ein Pferd, und jetzt hast du mehr Pferde als alle anderen im Dorf. Was für ein Glück.“ „Ob es ein Glück ist“, sagte der Bauer, „oder ein Unglück, man weiß es nicht, man weiß es nicht.“

Der Bauer hatte einen einzigen Sohn, der beschloss, dass man die Wildpferde zureiten müsse, dann könne man eine Menge guter Waren dafür einhandeln. Obwohl die Nachbarn ihm rieten, damit noch zu warten, wenigstens so lange, bis die Pferde sich gut eingewöhnt hätten, ließ der Sohn sich nicht abhalten. Er war ein guter Reiter, aber er wurde abgeworfen und brach sich ein Bein. „Oh, das ist schlimm“, sagten die Nachbarn, „jetzt hat sich dein einziger Sohn das Bein gebrochen und du hast gar keine Hilfe mehr. Was für ein Unglück.“ „Ob es ein Unglück ist“, sagte der Bauer, „oder ein Glück, man weiß es nicht, man weiß es nicht.“

Gerade zu dieser Zeit brach ein feindlicher Stamm in das Land ein, und die jungen Männer wurden zusammengerufen, um gegen die Feinde in den Krieg zu ziehen. Alle Nachbarn mussten ihre Söhne schweren Herzens gehen lassen. „Dass sich dein Sohn gerade jetzt das Bein brechen musste“, sagten die Nachbarn nicht ganz ohne Neid. „Jetzt kann er nicht in den Krieg ziehen. Was für ein Glück!“ „Ob es ein Glück ist“, antwortete der Bauer, „oder ein Unglück, man weiß es nicht, man weiß es nicht.“

Mit einem kleinen Augenzwinkern wollen uns die alten Fabeln der Tibeter etwas lehren. Diesmal, dass es unser Blickwinkel ist, der über Glück oder Unglück in einer Situation urteilt. Je nach Bewertung können wir auch in vermeintlich schlechten Situationen ein kleines bisschen Glück finden. Wir müssen nur genau hinschauen …

Alles Liebe,

Susanne

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